Tabea Fischle leitete den Chor der Leibniz Universität Hannover vom Wintersemester 1989/90 bis zum Sommersemester 2024.
Am 8. Dezember 2024 ist Tabea von uns gegangen. In tiefer Anteilnahme und Trauer für alle Hinterbliebenen, nehmen auch wir nun schweren Herzens Abschied von einer Frau, die uns menschlich und fachlich als unsere Chorleiterin über 35 Jahre maßgeblich geprägt hat. Wir verdanken ihr sehr viel, u. a. unseren ausgezeichneten Ruf in der vielfältigen Chorlandschaft der Stadt und Region Hannover, ein hohes musikalisches Niveau und Verständnis für Chormusik und damit verbunden, die vielen denkwürdigen Auftritte sowie Konzerte im In- und Ausland, die bei unserem treuen Stammpublikum und bei den ganzen Mitwirkenden noch weiterhin nachklingen und uns lange in positiver Erinnerung bleiben werden.



Tabea wurde am 30. Mai 1964 in Öhringen, im schwäbisch-fränkischen Teil des nordöstlichen Baden-Württembergs geboren. Nach ihrer frühen musikalischen Sozialisation und Prägung, wo sie bereits im Kindesalter Instrumental- sowie Gesangsunterricht erhielt bzw. in Kinder- und Jugendchören sang, absolvierte sie ihre Schulausbildung an einem musischen Aufbaugymnasium in Michelbach an der Bilz und beendete die Schullaufbahn mit dem Abitur. Nach ihrem Schulabschluss begann sie ihr Musikstudium an der niedersächsischen Hochschule für Musik und Theater Hannover und studierte bis 1989 Chor- und Ensembleleitung und legte 1992 noch ihr Diplom im Aufbaustudiengang Gesang ab.
Noch während ihres Studiums übernahm die 25-jährige Schwäbin im Oktober 1989 den damaligen Hochschulchor der Universität Hannover von Ludwig Rutt, der dieses Vokalensemble bereits seit 1949 geleitet hatte. Bereits Anfang 1990 berichtete die HAZ von einer engagierten Chorleiterin in Hannover, die den Hochschulchor mit anspruchsvollem Programm und regelmäßigen externen Konzerten (über die bisher hochschulinternen studentischen Konzerte) auch in der Stadt und Region sowie darüber hinaus mit musikalischer Qualität bekannt machen wollte. Tabea trug somit in den dreieinhalb Jahrzehnten entscheidend zum heutigen wertschätzenden überregionalen Ansehen des Chores der Leibniz Universität bei.



Darüber hinaus war Tabea Fischle ebenfalls seit 1989 als Dozentin in der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) in der Fachgruppe Gesang/Oper tätig. Über 32 Jahre war sie Musikschullehrerin in der Städtischen Musikschule Braunschweig mit dem Fach Solo-Gesang und Ensemble- sowie Chorleitung. Im Michaeliskloster Hildesheim war Tabea über 15 Jahre Referentin der C-Prüfungskurse für Kirchenmusiker*innen. Sie leitete von 2005-2008 den Kammerchor pro musica Bremen, war von 2004-2005 Assistentin von Prof. Biller beim Thomanerchor Leipzig und übernahm ebenfalls Probenassistenz von Prof. Straube und sang selbst über viele Jahre im semiprofessionellen Norddeutschen Figuralchor.
Im Interview zur Festschrift anlässlich des 65-jährigen Bestehens des Chores der Leibniz Universität, wurde Tabea 2014 gefragt: „Fühlst Du Dich heute Dur oder Moll?“ T.: „Ich fühle mich heute übermäßig.“ Chor: „Woher kommt dieser Ansporn, uns immer zu etwas Besonderen anzutreiben, auch bei der Chorarbeit?“ T.: „Ich liebe die Herausforderung und auch andere Leute herauszufordern. Auf keinen Fall möchte ich meine Choristen unterfordern.“ Chor: „Hast Du auch einen Leitspruch?“ T.: „Mein Leitspruch könnte sein: ‚Singen ist strömen lassen‘. In der körperlichen Erfahrung des Singens, empfinde ich etwas Besonderes. Deswegen freue ich mich auch, dass ich sowohl Singen, als auch Chorleitung praktiziere.“ - Ein Auszug.
Unter diesem Motto fanden unter ihrer Leitung wöchentlich zweieinhalb-stündige Chorproben, diverse Probenwochenenden, unzählige Auftritte und viele sehr unterschiedliche Konzertformate bis hin zu mehreren Konzertreisen im In- und Ausland, als fester Bestandteil unseres chorischen Musiklebens, auf immer neue kreative Art und Weise über Jahrzehnte statt. Während dieser Zeit haben wir uns mit Tabea gemeinsam verschiedenen Stilen der Chorliteratur angenähert sowie diese z. T. von ihr völlig neu kennen lernen dürfen und schlussendlich zu sehr erfolgreichen Aufführungen gebracht, wofür die aktuelle Chorbesetzung, aber auch viele ehemalige Chormitglieder ihr unendlich dankbar sind.
Der Chor der Leibniz Universität Hannover organisierte unter der Leitung von Tabea viele seiner konzertanten Veranstaltungen schwerpunktmäßig innerhalb verschiedener Kirchen der Stadt und Region selbst, nahm aber auch regelmäßig an offiziellen Angeboten, wie bei den Chortagen Hannover in der Galerie Herrenhausen oder der Mittsommernacht der Chöre – Fête de la Musique in der City oder während der Hannoveraner Weihnachtsmärkte teil.
Denkwürdige Ereignisse, die uns in besonderer Erinnerung bleiben werden, ist bspw. das große Abschlusskonzert der o. g. Chortage Hannover im Jahr 2018. Hier haben wir gemeinsam mit zwei anderen Chören dynamisch „jung und mit schlanker Stimmführung“ (HAZ vom 19.06.2018) das dramatische Oratorium »Jephtha« von Georg Friedrich Händel aufgeführt. Ein Jahr später, bekamen wir durch und mit Tabea die Ehre, innerhalb der 19. Internationalen A-cappella-Woche Hannover, als einziger regionaler und offizieller Partnerchor aufzutreten.
Ein weiteres noch immer unvergessliches Erlebnis, ist die Aufführung des Oratoriums »Elias« von Felix Mendelssohn Bartholdy, zum 30. Deutschen Evangelischen Kirchentag 2005 in Hannover. „Wichtig ist der diplomierten Chorleiterin der musikalische Ausdruck, der hinter den Noten steckt. ‚Vom Blatt singen können viele, doch sich davon lösen, das ist unser Ziel‘, sagte Frau Fischle.“ (HAZ/Stadt-Anzeiger Hannover Süd vom 19.05.2005).



Hierzu betitelte bereits zuvor das Osterholzer Kreisblatt des Weser Kuriers, insbesondere unsere Begeisterung für das Werk, mit dem folgenden Wortlaut: „Ein Hörthriller voller Dramatik“ bzw. „‚Die Wasserwogen sind groß und brau-s-en gewaltig‘, intonierte der Chor buchstabenklar“. Ihr Geheimnis beschrieb Tabea Fischle damals mit nachfolgenden Worten: „‚Man ist beim Singen immer ein Stück weit Schauspieler, das versuchte ich zu vermitteln‘, erläuterte die Chorleiterin. Mit Erfolg. Welche Ausdrucksvielfalt in einer Stimme steckt, das machten die Sänger in beeindruckender Weise hörbar.“ (vom 12.05.2005).
Auch innerhalb der Gebäude der Universität konnten wir viele unserer Projekte umsetzen. Gerne erinnern wir uns an das halbszenisch aufgeführte Opernwerk »Carmen« von Georges Bizet im Lichthof des Welfenschlosses zurück. Immer wieder profitierten wir als Chor von der Vernetzung Tabeas mit der Hannoveraner Musikwelt, so auch hier. Die HAZ äußerte sich dazu mit folgenden Worten: „Hut ab vor dem Collegium Musicum und dem Chor der Leibniz Universität […] Diese Oper in der Universität setzte auf Anhieb auch Maßstäbe in der Zusammenarbeit mit der Musikhochschule (deren Kinder- und Jugendchor vertreten war), die fast ausschließlich von ihr stammenden Solisten sowie die Hochschule Hannover (für Bühnengestaltung und Kostüme) […] Verdiente, lang anhaltender Beifall.“ (vom 07.04.2014).



Ein weiteres besonderes Ereignis und eine Herausforderung erhielten Chor und Orchester der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität mit dem Jubiläumswerk zum 370. Geburtstag des Namenspatrons und 10. Jahrestag der Namensgebung bereit. Auf das ungewöhnliche und zeitgenössisch schwierige Auftragswerk des Komponisten Prof. Fredrik Schwenk „Unter allen möglichen die beste … Metamorphosen über die Erkenntnisse Gottfried Wilhelm Leibniz zur Musiktheorie für Chor und Orchester“ bereitete uns Tabea zum 01.07.2016 bravourös vor.
Neben verschiedenen Werken, haben wir auch zu anderen Orten eine besondere Beziehung aufgebaut. So gestalteten wir angeregt, durch Tabeas Freundschaft zur Pastorin Martina Trauschke, viele Konzerte in der Neustädter Hof- und Stadtkirche – Leibniz letzter Ruhestätte. Teils (über-)füllten wir die Kirche mit Veranstaltungen zur Reihe »Bach um Fünf« oder unsere zahlreichen Weihnachtskonzerte zu »Christmas Carols and Nine Lessons« sowie dem jüngsten Konzert des Chores am 14.12.2024 mit dem Titel »Mary did you know?«. Ohne dich – Tabea, wäre diese Verbundenheit sicherlich nicht so intensiv zustande gekommen.
Auch hast du uns immer wieder mit neuen und außergewöhnlichen Ideen überrascht und bereichert, die nach deinen Worten zum Entdeckungswillen und Interesse eines Universitätschores gehören sollten. Daher gestalteten wir bspw. am 16.09.2018 ein Wandelkonzert »Gang & Klang« mit dem Hannoveraner Poetry Slammer »Tobias Kunze« oder »WEITERSAGEN« mit der Klang- und Installationskünstlerin »Anna Schimkat« am 12.06.2022. Diese Formate boten nicht nur unserem Publikum neue Höreindrücke, sondern bereicherten auch unser musikalisches und künstlerisches Verständnis mit neuen Eindrücken.
Eine Veranstaltung, die in dieser modernen Reihe nicht fehlen darf, ist unsere musikalisch gestaltete Führung mit dem »Verein Zukunftswerkstatt Ihme-Zentrum« durch das gleichnamige Gebäude in Hannover. Dieses Format entstand als Ergebnis einer unschätzbaren Leistung deinerseits, gepaart mit deinem Durchhaltevermögen und Führungswillen, welcher uns durch die Jahre 2020 und 2021 der Corona-Jahre trug. Du musstest dich mit neuen, dir unbekannten technischen Applikationen auseinandersetzten und den Chor über virtuelle Räume immer wieder neu die Freude am Singen zeigen. Hier bauten wir Eindrücke des o. g. Zentrums, wie normalerweise nervige Töne einer Lüftungsanlage, als auch ein zufällig entdecktes Gedicht an Wänden, geschickt in unsere Darbietungen am 04.07.2021 mit dem Vorstandsmitglied/Sprecher der Kultur-AG des Ihmezentrums »Jan-Philippe Lücke« vor Ort ein.
Die musikalischen Höhepunkte deiner 35 Jahre Chorleitung, waren für uns u. a. die bereits zu Beginn erwähnten zahlreichen Konzertreisen, wie zum erfolgreichen niedersächsischen Chorwettbewerb (3. Platz) in Lüneburg (2009) sowie zu diversen Konzerten in Hannover Region und innerhalb Deutschlands, wie nach Braunschweig (1991, 1993, 1995, 2002); Osnabrück (1995); Hildesheim (1996, 2005); Lübeck (1997); Wolfsburg (2002); Seelze (2002); Leipzig (2003, 2006); Hamburg (2004); Osterholz-Schambeck (2005); Verden (2006, 2007); Bückeburg (2007); Mariensee (2010, 2012, 2015); Hinüberschen Garten/Region (2017); Ockensen (2018) und Wunstorf (2023). Große Highlights darüber hinaus, waren mit dir die Konzertreisen zu internationalen Chorfestivals in Polen/Poznan (1999); Italien/Rom (2001) + Florenz (2001, 2004, 2006, 2010) + Lucca (2004, 2006) + Gardasee (2017); Frankreich/Rouen (2003) und Ungarn/Budapest (2013), die wir ebenfalls nicht vergessen werden.
Tabea, du hast die Hannoveraner Chormusikszene, durch dein hochprofessionelles musikalisches Wirken, maßgeblich mitgeprägt und durch deine jahrzehntelange Konzertprogrammauswahl immer wieder überrascht und bereichert. Schlussendlich haben wir ausgeführt durch dich, in »Mauritius Weiß« einen neuen Chorleiter für das Wintersemester 2024/25 sowie Sommersemester 2025 gefunden, der dein chorisches Vermächtnis vorerst weiterführen und mit neuen Elementen und Impulsen anreichern kann.



Daher war es uns (auch unter der neuen Leitung), ein besonderes Anliegen, mit aktuellen und auch ehemaligen Mitgliedern deines Chores, gerade noch rechtzeitig ein kleines Konzertprogramm für dich und deinem Ehemann Jan Seidel, als eine Überraschung am 26.11.2024, spontan zu organisieren. Hier konnten wir noch ein letztes Mal für dich und mit dir musizieren und unsere Dankbarkeit in Form von Musik zum Ausdruck bringen.
Tabea – wir sind dir für alles, was wir gemeinsam miteinander geteilt haben, alles was du uns beigebracht hast, als auch unsere zahlreichen Erlebnisse auf und neben der Bühne aus tiefen Herzen unendlich dankbar und werden das Abendlied (Rheinberger) immer mit Dir in Verbindung bringen. – Wir werden dich vermissen und in lebenslanger Erinnerung behalten!
Dein Chor der Leibniz Universität Hannover
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